Online Tagebuch von Mike & Christian (Montreal)

Thursday, April 19, 2007

Camping "Montréal" ****


Nachdem der Winter hierzulande bis Mitte April Einzug gehalten hat, macht die Jahreszeit nun ihrem Namen alle Ehre. Nach einem ersten zaghaften Anlauf gestern mit 12,4'C, lachte die Sonne auch heute weiterhin vom strahlendblauen Himmel und das Thermometer erreichte auf unserem Balkon im Schatten zum ersten Mal in diesem Jahr 16,9'C. Für die kommenden Tage werden weiterhin schönes Wetter mit Temperaturen um oder über 20'C erwartet. Höhepunkt soll der kommende Montag sein mit erwarteten 24'C ehe das Thermometer danach wieder in den Bereich der 10-15'C zurückkehrt, was dem Frühlingsgefühl wohl hoffentlich keinen Abbruch beschert. Aber im Vergleich zu Deutschland ist das ja alles kaum erwähnenswert :) Zumindest für unsere Freunde und Familien aus der Südwesthälfte. Da hat man wahrscheinlich schon ganz verdrängt dass der Winter überhaupt existiert und es wird vor Hitze gestöhnt.


Das war heute Abend um 18:oo. Ist es nicht unglaublich wie gross dieses Land ist?! Zum Vergleich: Alleine die Provinz Québec ist 4,5 Mal so gross wie Deutschland und reicht von der Ausdehnung her vom Nordkap in Norwegen nur wenige Kilometer vom Polarkreis bis zur selben Höhe wie Mailand oder Bordeaux. Montreal liegt somit deutlich südlicher als Deutschland was viele bei den Wintertemperaturen gar nicht glauben können. Die Erklärung ist simpel: Im Inneren des Kontinents hat Montreal Kontinentalklima und es gibt auch keinen milden Golfstrom.

Was ich Euch heute eigentlich näherbringen möchte ist der "Way of life" der 3,7 Millionen-Stadt mitten im Sankt-Lorenz-Strom.
Eine Lebensart die es wohl so selten auf der Welt gibt. Wir erinnern uns: wenn es in Mittelmeerländern warm wird werden die Rollos heruntergelassen, damit keine Hitze ins Haus kommt. Die Bewohner halten vielerorten Siesta und das Leben geniesst man in Bars, Cafés und am Strand.
Wenn es in Deutschland warm wird, strömt die halbe Welt auf ein grünes Fleckchen in einem Park, vorzugsweisse entlang eines Flusses oder am Baggersee und man bevölkert die Biergärten und Strassencafés. Oder die lustigsten von allen laufen mit der Bierflasche durch die Stadt und suchen sich Abkühlung.
Nun zu Montréal.
Das mit der Bierflasche ist hier schonmal gar nicht erlaubt und das ist auch gut so.


Dazu muss man erwähnen, dass sie meissten Häusserzeilen ein 3-stöckiges Wohnhaus nach dem anderen haben und die untersten Wohnungen meist einen Garten nach vorneheraus und einen nach hintenraus, sowie die oberen zwei Wohnungen einen Balkon vorne und einen hinten haben. So auch wir.
Bei 5'C plus wird der Barbeque-Grill angeschmissen, bei 10'C die Aussenbestuhlung rausgestellt , bei 15'C Oberkörperfrei auf dem Balkon gesessen (ausgenommen dem weiblichen Geschlecht ;)) und bei 20'C wird draussen gelebt (alle Türen offen versteht sich).
Ihr könnt Euch ausmalen was hier im Sommer abgeht. Denn die Durchschnittstemperaturen im Juli/August sind (normalerweisse) höher als im sowieso schon warmen Freiburg, und durch die Luftfeuchte mit nicht selten gefühlten Temperaturen zwischen 35' und 45'C könnte Montreal sogar tropischen Städten das Wasser reichen. So verwandelt sich Montreal ab ca. 15'C zu einem
riesigen Campingplatz. Anders kann man das gar nicht beschreiben.
Da wird der Ghetto-Blaster auf dem Balkon positioniert; alle Türen und Fenster aufgerissen; die Nachbarn finden sich zum Barbeque ein; die Wäsche wird von einem Balkon zum nächsten Strommasten gespannt; es wird im Freien diskutiert; gefeiert oder einfach nur relaxt. Nicht das die Strassencafés nicht voll wären, im Gegenteil, wir sind hier in einer ehemaligen französischen Kolonie und Savoir vivre wird grossgeschrieben. Aber das trifft hier in Montreal vorallem auf die Arbeitervororte zu, die nicht mal eben mit der ganzen Family zur Happy Hour gehen können; oder sich einen Urlaub auf den Bahamas leisten. Und wenn dann wären es ja eh nur 2/3 Wochen, nicht wie in Deutschland. Und die nimmt man lieber im Winter.

Die ganze Stadt lebt hier im Frühling/Sommer/Herbst auf dem Balkon oder im Garten. Und das mehr oder weniger, mitten in der Stadt. Die Leute wissen einfach das Leben zu geniessen und sich mit wenig Geld so Glücklich wie möglich zu machen. Und dazu gehört in der "warmen" Saison eben einfach der permanente Aufenthalt auf "Balkonien", so wenig Klamotten wie möglich, gute Freunde und Bier.

Wir finden das sehr sympathisch und finden uns da natürlich sehr gut zurecht. Ich habe mit meiner Familie jedes Jahr gecampt und deshalb fühle ich mich dadurch wie im Dauerurlaub. Anstatt zum Strand gehts halt zur Arbeit. Aber könnte man da keine Lust haben, wenn man weiss, dass es am Abend wieder Summer-feeling pur gibt.
Und Chris freut sich auch schon darauf. Man kann es schlecht beschreiben, denn in Freiburg waren wir auch immer draussen im Biergarten und mit Freunden unterwegs. Aber hier ist die ganze Stadt nicht unbedingt unterwegs, sondern draussen, wenn ihr versteht was ich meine. Das ist schon ein grosser Unterschied wenn in einer deutschen Stadt, jeder vor seinem Einfamilienhäuschen, in seinem eigenen Garten sitzt, abgeschirmt von Bäumen oder wenn 50 Familien sich auf ihrem Balkon herumtreiben in einer Strasse von 300 Meter Länge.

Wenn es dann mal richtig Sommer ist, werde ich mal Bilder reinsetzen.

Chris hat morgen seinen letzten Arbeitstag bei Czech Aerolines und bei mir sind es ja auch nur noch ein paar Tage ehe ich zum Sommer"fahrplan" wechsle. Am 1.Mai ist es soweit.
Bis dann

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