"C'est bullshit", "Tap Water" & YMCA
Wie ihr schon bemerkt habt, passiert hier zur Zeit nicht allzuviel berichtenswertes. Mike ist beim Französischkurs, den er für 14 Tage bei "Language Studies Canada" (das ist die gleiche Schule, die LAL Sprachreisen, Studiosus etc. nutzt) gebucht hat. Ich hocke hier und lerne ebenfalls Französisch, warte dazu auf den Klempner - wir kämpfen hier immer noch mit dem nordamerikansichen Standard der Strom- und Wasserzu/abfuhr. Da das Trinkwasser hier in Montréal nicht so wie in Freiburg direkt aus dem Schluchsee kommt, wird dem Wasser aus dem Wasserhahn "Tap Water" ein Cocktail aus Chlor und weiteren feinen Zutaten zugesetzt und viele der alten Hauptwasserleitungen sind immer noch asbestverstärkt. Hinzukommen noch alte Rohrleitungen in den älteren Häusern, also Rost. Vielen Kanadiern fällt das natürlich gar nicht auf, weil sie es so gewohnt sind. Wir trinken das Wasser aus dem Wasserhahn aber grundsätzlich nicht und haben Filter angeschafft, die alles mögliche, vor Allem auch evtl. Asbestrückstände zu 99.9% aus dem Wasser herausfiltern. Diese Filter werden auf dem Wasserhahn in Küche und Bad (Zähneputzen etc.) angebracht und filtern das Wasser gleich wenn man den Hahn aufdreht. Danach sollten alle Bestandteile rausgefiltert sein. Das Wasser für die Kaffeemaschine und zum Kochen filtere ich aber immer vorsichtshalber ein zweites Mal, da mich diese Asbestgeschichte beunruhigt. Langer Rede kurzer Sinn - nach Installation der Filter läuft das Wasser natürlich langsamer aus der Leitung, weil es ja erst den Weg durch den Filter finden muss. Dadurch entsteht dann am Zulauf so viel Druck, dass es unten im Küchen- oder Badezimmerschrank ordentlich tropft, weil man hier ja auch nur so "MickyMausRohre" verwendet. Unser Vermieter hat gestern versucht, das Problem selber zu lösen. Mit seinem fortgeschrittenen Alter hat er aber nach einigen Schraubversuchen nicht mehr gewusst wo er schon geschraubt hat und wo nicht und überdies vergessen, dass das Problem ja nicht am Abwasserrohr sondern am Zulauf war. Also funktioniert nun auch das Abwasser nicht mehr und läuft am Rohr vorbei und den Heisswasserhahn kann man gar nicht mehr aufdrehen. Gottseidank hat der gute Mann, nachdem er völlig durchnässt wieder aus dem Küchenschrank gestiegen ist, gleich selber vorgeschlagen, nen Klempner zu bestellen. Also sitze ich hier und warte. Nebenbei lerne ich Französisch - am Freitag ist mein erster Arbeitstag und meine Französichkenntnisse beunruhigen mich etwas. Noch dazu scheint in der Firma niemand Französisch zu sprechen und im Büro wird Englisch gesprochen. Kommt mir grundsätzlich sehr entgegen, aber hilft mir nicht beim Erlernen der Sprache. 55% der Quebecois geben Französisch als ihre Muttersprache an, Man könnte also sagen, dass man mit Englisch ausreichend bedient ist. Stimmt aber nicht. Französisch und Englisch sind nur theoretisch gleichberechtigt. Hier in Montréal ist das alles gar kein Thema und man braucht sich darüber keine Gedanken machen. Fährt man aber den St.Lorenz Strom aufwärts und genau dahin, wo ich laut meinem Vorgesetzten den Schwerpunkt meiner Aussendiensttätigkeit haben soll, wird es ab Québec City brenzlig, wenn man kein Französisch spricht. Dort sprechen nur wenige Englisch und man kommt zumindest als Verkäufer nicht weit, wenn man kein Französisch spricht- "Vive le Québec libre"... Allerdings gibt es auch einen interessanten Mix beider Sprachen, manche Worte aus der jeweils anderen Sprache werden eingebracht - z.B. "C'est büllshit" oder "C'est fun" (Spass) oder "j'ai un flat" (von flat tire, platter Reifen). Hier in Montréal ist fast überall alles zweisprachig beschriftet, mit der Auflage, auf Schildern oder Anschlägen, die Französichen Wörter hervorzuheben (grössere Schriftzeichen, fettgedruckt etc.). "Kentucky Fried Chicken" heisst hier nicht KFC, sonder PFK, also "Poulet Frit Kentücky". Überhaupt ist man hier immer gefordert, da man ja alles immer doppelt liest. Und das nicht nur in zwei Sprachen, sonder auch für Masseinheiten. Wir haben hier zwar eigentlich genau wie in Deutschland das metrische System, aber durch den ganzen Handel mit den USA und noch dazu vielen Kanadiern, die überdies noch lieber beim Britischen System bleiben möchten, gibt es hier alles dreifach. Foot, Inch, Meter, Quadratfuss oder Quadratmeter, Yard usw. An der Tankstelle wird in Litern gemessen, im Supermarkt und Restaurant in Pint, und im Baumarkt in Gallons, dazu muss man aber noch beachten, ob das Produkt aus den USA kommt, also ob es eine amerikanische Gallone ist, oder ob es aus Kanada kommt, dann kann es sich nämlich unter Umständen auch durchaus um eine britische "imperial" Gallone handeln. An der Gemüsetheke stehen die Preise in "pound" und man bestellt in Pfund. Gewogen wird dann an der Kasse aber in Kilo, und ein "pound" entspricht natürlich nicht einem halben Kilo, also fünfhundert Gramm, sondern etwas weniger, weil es ja ein britisches Pfund ist. Und dann gibt es da noch die Sache mit dem "tablespoon", der "unze" und der Tasse bei Kochrezepten...Bei Produkten aus den USA stehen die Angaben zu Back/Koch/Grilltemperaturen natürlich in Fahrenheit angeschlagen. Wir haben hier aber eigentlich Celsius. Der Backofen hat die ersten Tage auch nur Fahrenheit im Display angezeigt, bis ich herausgefunden habe, dass man auf Celsius umstellen kann...Naja, alles Kleinigkeiten...Wir haben von Mike's Schwester ein tolles Buch geschenkt bekommen: "Kanada ist anders" von Ulrich Laux. Er ist schon vor längerer Zeit ausgewandert und erklärt in dem Buch genau die Dinge, die einem erst auffallen, wenn man hier ist. Das Buch hat uns bei einigen Dingen schon sehr geholfen - also nur zu empfehlen, falls sich jemand mit dem Gedanken trägt auszuwandern... Mittlerweile regnet es nicht mehr und ist wieder angenehm warm. Dennoch bereitet man sich auf den Winter vor. Am Sonntag waren wir bei "Mountain Equipment" einem Ausstatter für alles, was man hier in der Wildnis braucht. Die Artikel für den Winter hatten sie aber noch nicht, also werden wir in paar Wochen nochmal hinfahren. Ach ja, da fällt mir noch das Thema YMCA ein. Siegfried hat uns empfohlen, uns im YMCA anzumelden. Ich habe mich mal auf der Homepage eingelesen und festgestellt, das die Mitgliedschaft im YMCA hier drüben wohl ein absolutes Muss ist. Es gibt in Montréal in jedem grösseren Viertel ein YMCA. Dort stehen einem dann Krafttraining, Indoor-Jogging-Bahnen, Schwimmbad, Sauna und alle möglichen Kurse zur Verfügung. Komisch, ich kannte YMCA bisher immer nur in einem anderen Zusammenhang, aber wenn das so ist, werden wir uns das die Tage mal vor Ort anschauen. Heute werde ich auch noch die Anmeldung zur offiziellen Zertifizierung als "Sales Manager" an das "Canadian Tourism Human Resources Council" abschicken. Man kann sich dort offiziell entsprechend der "National Occupational Standards" seine Kenntnisse bescheinigen lassen und bekommt dann, nach Multiple Choice Test (Ankreuzfragebögen), mündlicher Prüfung, Fallstudie und Besuch des Prüfers am Arbeitsplatz, sowie Entrichtung der Prüfungsgebühren von 285 Dollar, ein schönes gepflegtes Zertifikat, das man sich mit dem Farbkopierer kopieren und überall ins Büro und zu Hause hinhängen kann. Noch dazu kann man an seinem Namen und zur Unterschrift einen Zusatz anfügen. Diese Dinge scheinen hier ungemein wichtig zu sein und überall wo man hinkommt, hängen an den Arbeitsplätzen irgendwelche Zertifikate und Auszeichnungen. Gestern habe ich ein email von "Standard & Poors" bekommen. Unter anderem Beraten sie Investoren und Existenzgründer etc... Sie haben mein Profi im "Open Business Club" gefunden und angefragt, ob ich freiberuflich einen Kunden beraten könnte, der in Europa im Tourismus investieren will. Interessant. Zunächst war ich skeptisch, aber "S&P" ist ja nunmal als seriös bekannt. Mal schauen...So, das wars für Heute